Paint the Town Red

Mit Redewendungen ist es so eine Sache, denn oft erschließt sich die eigentliche Bedeutung des Gesagten nur dem Eingeweihten. Noch heikler wird es, wenn man es mit einer Fremdsprache zu tun hat. Eine Aufforderung wie „Let’s paint the town red!“ kann – auch von modernen KI-gestützten Übersetzungstools – missverstanden und als Aufruf interpretiert werden, der Stadt einen roten Anstrich zu verpassen. Dabei ist die idiomatische Wendung viel schöner: ausgehen und sich amüsieren, ein Glas zusammen trinken, tanzen, mit Freunden lachen, einen drauf machen. Diese Doppeldeutigkeit von „Paint the Town Red“ ist der Ausgangspunkt eines Kunstprojekts, das Esmeralda Conde Ruiz extra für die 30. Auflage des STIMMEN-Festivals entwickelt hat. Angelehnt an die wörtliche Übersetzung der Redewendung hüllt sie den gläsernen Eingang des Burghofs in rote Folie. Im Inneren sind die Besucher:innen eingeladen, eine weltweit einzigartige Vokalkomposition zu erleben, die ausschließlich mit KI-generierten Stimmen von öffentlich zugänglichen Übersetzungsseiten wie Google Translate und DeepL erstellt wurde.

Mit seiner Hintersinnigkeit und seiner Innovation, vor allem aber mit seinem Plädoyer für gute Laune verkörpert „Paint the Town Red“ all das, wofür das STIMMEN-Festival steht: Gemeinsam mit unseren Gästen möchten wir einzigartige musikalische Erlebnisse genießen, ausgehen und uns amüsieren, ein Glas zusammen trinken, tanzen, lachen. Zugleich etabliert das Kunstprojekt den Burghof Lörrach auch visuell als Epizentrum des STIMMEN-Festivals, von dem aus sich das kulturelle Geschehen gut vier Wochen lang in die Stadt und die Region hinein erstreckt. Und es wird verdeutlicht, dass der Burghof der Ort ist, an dem das namensgebende Thema der Stimme immer wieder aus neuen Perspektiven beleuchtet wird – stets gemäß dem aktuellen Zeitgeist.

Denn die Installation von Esmeralda Conde Ruiz greift durch die Auseinandersetzung mit künstlicher Intelligenz eines der derzeit bedeutendsten gesellschaftlichen Themen auf. Die Besucher:innen erhalten die Möglichkeit, ihre Beziehung zu KI-gestützter Software – in diesem Fall zu Online-Übersetzungen – zu hinterfragen, indem das Projekt aufzeigt, welche Folgen es hat, wenn die für die Übersetzung verwendete KI keine kulturellen Berührungspunkte mit der Sprache hat, die sie übersetzt. In letzter Konsequenz stellt sich dann auch die Frage, welche anderen Fehler diese Online-Programme noch verursachen könnten, die zu ernsteren Konsequenzen führen.  
Durch die spielerische Darstellung dieses Wortspiels in Farbe und Ton verändert das Kunstwerk den architektonischen Raum des Burghofs und unterstreicht gleichzeitig die Bedeutung von Sprache und der menschlichen Stimme(n).  

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Esmeralda Conde Ruiz ist eine preisgekrönte interdisziplinäre Komponistin und audiovisuelle Künstlerin aus Spanien, die in London lebt und arbeitet. Die Stimme ist für sie sowohl Vehikel als auch Gegenstand ihrer Kunst. Sie hat mit Sängern und Chören von Ecuador bis New York und von Syrien bis Sydney zusammengearbeitet. Ihre jüngsten Projekte beschäftigten sich mit der Ethik der künstlichen Intelligenz und der Speicherung von Daten. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf die verborgenen Aspekte unseres Online-Lebens.